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Oper für die Stadt

Kunstsinnige Hamburger Bürger setzen 1678 die Gründung eines öffentlichen Opernhauses im Senat durch, des ersten privatwirtschaftlich geführten Opernhauses Deutschlands. In der Initiative der Hamburger Bürger äußert sich das Bedürfnis, die veränderte Lebens- und Wirtschaftswirklichkeit der Stadt in ihren kulturellen Institutionen artikuliert zu sehen. Der erste Opernbau. Unumstritten unter den Protestanten Hamburgs war die Gründung des Opernhauses nicht, das als lang gestreckter Holzbau zwischen Jungfernstieg - Ecke Gänsemarkt und den Colonnaden entsteht: die Lutheraner waren dafür, den Pietisten war Theater zu weltlich und sinnenfreudig. Doch entwickelte sich das Hamburgische „Operntheatrum“ zu einem der führenden musikalische Zentren in Europa. Georg Philip Telemann ist ab 1721 Hamburger Stadtmusikdirektor und komponiert zahlreiche Opern, Georg Friedrich Händel war am Haus als Geiger und Cembalist beschäftigt. 1705 wurde hier seine erste Oper „Almira“ uraufgeführt.

Doch als durch finanzielle Misswirtschaft und mangelndes Publikumsinteresse die Oper in ihrer Existenz bedroht ist, fühlen die Pietisten sich bestätigt und das Haus wird 1738 als selbstständiges Unternehmen geschlossen. Bis zum endgültigen Abriss des Gebäudes im Jahr 1763 dient es vor allem durchziehenden Komödiantentruppen als Spielort, und so gelangte schließlich die italienische Oper nach Hamburg.

Neuanfang im Jahr 1765: das „Ackermann'sche Comödiantenhaus“ wurde mit gemischtem Schauspiel- und Opernprogramm eröffnet. Ab 1767 heißt das Theater auf Gotthold Ephraim Lessings Einfluss hin „Deutsches Nationaltheater“. Seine „Hamburger Dramaturgie“ schreibt das Programm des modernen Theaters: „Wenn wir mit Königen Mitleiden haben, so haben wir es mit ihnen als mit Menschen, und nicht als mit Königen.“ Lessing liest Shakespeare mit Aristoteles: nicht mehr ist der Monarch zugleich Hauptfigur, einziger und absolut gesetzter Zuschauer, sondern der Bürger ist der zukünftige Hauptakteur in Gesellschaft und Dramatik und ihr vielschichtiger Protagonist. Gezeigt werden Lessing, Schiller, Goethe und deutsche Erstaufführungen von Shakespeare-Dramen im Sprechtheater, doch bald auch Opern, die im Licht des Lessing’schen Anspruchs gesehen werden können: „Entführung aus dem Serail“, „Don Giovanni“, „Die Hochzeit des Figaro“ und „Die Zauberflöte“. Es folgen Rossinis „Barbier von Sevilla“, Beethovens „Fidelio“ und Webers „Freischütz“.

1827 hat der alte Holzbau am Gänsemarkt ausgedient. Das neue „Stadt-Theater“ an der Dammtorstraße mit einem Fassungsvermögen von 2.800 Sitzen eröffnet am 3. Mai 1827 mit Goethes „Egmont“ und der Schauspielmusik Beethovens.

Doch immer wieder steht das Haus kurz vor dem finanziellen Ruin. Die Finanzierung des Hauses scheint erst nachhaltig gesichert, als Bernhard Pollini, seit 1873 Direktor des Hauses, die institutionelle Förderung des Hauses durch die öffentlichen Hand durchsetzt. Unter seiner Direktion übernimmt Gustav Mahler 1891 für sechs Jahre die musikalische Leitung. Mahler äußert sich mit einem polemischen Satz, dessen Sprengkraft bis heute wirkt: „Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei.“

Der erste Weltkrieg ist auch für den Opernbetrieb eine Belastung, doch trotz zahlreicher zum Militärdienst verpflichteter wird die Zahl der Aufführungen nicht verringert. 1925 wird das Bühnenhaus umgebaut, das in dieser Form noch heute benutzt wird.

Nachdem die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernommen haben, wird das Stadt-Theater 1934 in „Hamburgische Staatsoper“ umbenannt. Bei einem Bombenangriff 1943 wird der Zuschauerraum völlig zerstört, das Bühnenhaus bleibt aber weitgehend unversehrt. Es dient bei der Wiederaufnahme des Spielbetriebes ab 1946 als provisorischer Zuschauerraum, der bald darauf bis in die Ruine hinein erweitert wird. Die „Stiftung Wiederaufbau der Hamburgischen Staatsoper“ bringt innerhalb weniger Monate 1,5 Millionen Mark Sponsorengelder zusammen und so entsteht ein neues Zuschauerhaus mit 1.690 Sitzplätzen. Das Haus wird mit einer Aufführung von Mozarts „Zauberflöte“ am 15. Oktober 1955 eröffnet. Mit der „opera stabile“ entsteht 1975 eine Experimentierbühne für zeitgenössisches Ballett- und Musiktheater, ein „kleines Haus“ für knapp 150 Zuschauer.

Die Hamburgische Staatsoper wird in den kommenden Jahren geprägt durch Persönlichkeiten wie Rolf Liebermann, Günther Rennert, Placido Domingo, August Everding, Götz Friedrich, Christoph von Dohnányi, Peter Ruzicka, Gerd Albrecht, Günter Krämer, Harry Kupfer, Albin Hänseroth, Ingo Metzmacher, Peter Konwitschny, Louwrens Langevoort, Simone Young, Claus Guth, David Alden.

Die Hamburgische Staatsoper bringt in den kommenden Jahren regelmäßig neue Stücke auf beiden Bühnen heraus und vergibt Kompositionsaufträge: herausragend 1992 Wolfgang Rihms „Die Eroberung von Mexico" oder 1997 Helmut Lachenmanns „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern". Diese Tradition wird auch nach 2015, dem Beginn der Doppelspitze Georges Delnon und Kent Nagano, konsequent fortgesetzt, u. a. mit „Weine nicht, singe" von Michael Wertmüller, „Stilles Meer" von Toshio Hosokawa, „La Passione“ von Romeo Castellucci, „Senza Sangue" von Péter Eötvös, „Frankenstein" von Jan Dvorak, „BENJAMIN" von Peter Ruzicka, „I.th.Ak.A." von Samuel Penderbayne, „Lessons in Love and Violence" von George Benjamin / Martin Crimp, „THÉRÈSE" von Philipp Maintz und „IchundIch" von Johannes Harneit.

In Zeiten der Pandemie eröffnete die Staatsoper Hamburg die Spielzeit 2020/21 mit molto agitato – einer Neuproduktion unter der Musikalischen Leitung von Kent Nagano und in der Regie von Frank Castorf. Ebenfalls 2020/21 produzierte die Staatsoper Hamburg Udo Zimmermanns Kammeroper Weiße Rose neu: Zum 100. Geburtstag von Sophie Scholl war das Werk erstmals als Film und in völlig neuer Form zu sehen. David Bösch inszenierte zusammen mit Patrick Bannwart und Falko Herold die Weiße Rose als Graphic Opera. Die Produktion wurde vom 58. Golden Prague International Television Festival mit dem Preis „special mention for extraordinary artistic achievement" ausgezeichnet.

Starke Regiehandschriften prägen die Premieren der Spielzeit 2022/23: Herbert Fritsch inszeniert mit „Carmen“ einen der großen Klassiker des Repertoires, Michael Thalheimer befragt Wagners Fliegenden Holländer. Die renommierte Filmregisseurin Angelina Nikonova übernimmt mit Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“ ihre erste Opernregie, Axel Ranisch präsentiert seine Version von Puccinis „Il trittico“. In der Inszenierung von Georges Delnon kommt Salvatore Sciarrinos „Venere e Adone“ zur Uraufführung.

Die opera stabile bietet gleich drei neue Werke: die Uraufführungen „Silvesternacht“ (nach E. T. A. Hoffmann) und der Kinderoper „Die Reise zum Mond“, sowie das Telemann-Pasticcio „Die Kuh - doch halt nein, nein!“.

Am Pult stehen Kent Nagano, Yoel Gamzou, Giampaolo Bisanti, Johannes Harneit, Luiz de Godoy und Johannes Gontarsky.

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